Gründung und Aufbau der Bibliothek als k. k. musikhistorische Lehrmittelsammlung gemeinsam mit dem musikwissenschaftlichen Institut durch Guido Adler (1855-1941), der für das Fach „Theorie und Geschichte der Musik" an die Universität Wien berufen wird. Adler folgte Eduard Hanslick (1825-1904) nach, der 1870 das erste musikwissenschaftliche Ordinariat ohne Anbindung an ein Institut besetzt hatte (Lehrstuhl für „Geschichte und Ästhetik der Tonkunst").
Aufgebaut wird die Bibliothek zunächst durch Zuwendungen des zuständigen k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht sowie privater Gönner, Mäzene und Verlage. Bereits in den 1920er Jahren umfasst die Bibliothek mehrere tausend Bände, darunter zahlreiche Gesamtausgaben und musikhistorische Druckwerke in verschiedenen Sprachen. Einen zentralen Bestandteil bilden die seit 1894 erscheinenden und von Adler herausgegebenen „Denkmäler der Tonkunst in Österreich" (DTÖ) .
Die Bibliothek ist von Beginn an eng mit der Institutsgeschichte verknüpft und wird bis zur Eingliederung in die Universitätsbibliothek (2007) als Institutsbibliothek unter der Leitung des/der jeweiligen Institutsvorstandes/-vorständin geführt. Die Bibliothek ist zunächst im Hauptgebäude der Universität untergebracht.
Übersiedelung der Bibliothek in die Türkenstraße 3 (gemeinsam mit dem Institut).
Übersiedelung der Bibliothek in das Hauptgebäude am Ring (gemeinsam mit dem Institut).
Emeritierung des Instituts- und Bibliotheksgründers Guido Adler. Robert Lach (ein radikaler Antisemit, ab 1933 NSDAP-Mitglied) wird sein Nachfolger.
Guido Adler zieht die DTÖ-Bestände aus der Bibliothek des Instituts ab, nachdem ihm der Zugang zum Institut zunehmend erschwert wird.
Robert Lach lässt die DTÖ-Bestände beschlagnahmen und übernimmt selbst die DTÖ-Leitung.
Erich Schenk (ebenso Antisemit mit klarer Affinität zur NSDAP bzw. NS-Ideologie) wird Instituts- und damit auch Bibliotheksleiter (1939-1971) sowie Leiter der DTÖ. Er spielt insbesondere im Kontext der Enteignung der Nachlassbibliothek Guido Adlers nach dessen Tod 1941 eine unrühmliche Rolle. Sie wird auf mehrere Wiener Institutionen aufgeteilt, darunter die Bibliothek des damaligen Musikwissenschaftlichen Seminars.
Nach dem Krieg wird die Adler-Bibliothek an dessen Erben restituiert und an das Department of Music an der University of Georgia verkauft (sie liegt heute als „Guido Adler Collection" in der Hargrett Rare Book & Manuscript Library ).
Evakuierung der Bibliothek nach Niederösterreich.
Rückführung der Bibliothek ins Hauptgebäude der Universität Wien.
Othmar Wessely kommt ans Institut und wird 1950 Assistent von Erich Schenk. Wessely veranlasst die Katalogisierung des Bibliotheksbestandes nach den Preußischen Instruktionen (PI) und die Einführung des Numerus Currens. Die bestehenden Inventarbücher werden im Zuge dessen nachträglich angelegt. (Aus der Zeit vor 1945 sind keine Inventarbücher mehr vorhanden, mit Ausnahme eines Einlaufprotokolls aus der Zeit von 1898 bis 1913 von Adler selbst. Dieser von Adler als „Chronik" betitelte Band, der auch Berichte über den Institutsalltag enthält, befindet sich im Institutsarchiv des Instituts für Musikwissenschaft, MUWI/XX/032/6.)
Übersiedelung der Bibliothek in die Universitätsstraße 10 (gemeinsam mit dem Institut).
Übersiedelung der Bibliothek in das Neue Institutsgebäude, Universitätsstraße 7 (gemeinsam mit dem Institut).
Gernot Gruber wird Nachfolger von Othmar Wessely.
Übersiedelung der Institutsbibliothek an den Universitätscampus Altes AKH (gemeinsam mit dem Institut).
Eingliederung der Institutsbibliothek in die Universitätsbibliothek Wien unter der Bezeichnung „Fachbereichsbibliothek Musikwissenschaft". Sie wird zunächst interimistisch vom stellvertretenden Direktor der Universitätsbibliothek Wien geführt.
Die Fachbereichsbibliothek Musikwissenschaft erhält eine eigene Bibliotheksleitung.
Im Zuge der NS-Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek Wien werden einige weitere Bücher aus der Provenienz Adler entdeckt, sowohl aus der Hauptbibliothek als auch aus der Fachbereichsbibliothek Musikwissenschaft. 2012/13 werden 54 Titel aus der FB Musikwissenschaft - 41 selbständige Druckwerke und 4 Sammelbände (Bindeeinheiten) mit 13 enthaltenen Werken der Provenienz Adler - an die Erben restituiert.
Umbenennung in „Fachbibliothek Musikwissenschaft"
Boisits, Barbara: „Guido Adler und die Gründung der Bibliothek am musikwissenschaftlichen Institut in Wien". In: Musikwissenschaft als Kulturwissenschaft - Damals und heute. Internationales Symposion (1998) zum Jubiläum der Institutsgründung an der Universität Wien vor 100 Jahren. Hg. von Theophil Antonicek und Gernot Gruber. Tutzing 2005 (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft, 40), S. 69-88.
Fuhrmann, Wolfgang: „Werkzeug des Gelehrten. Was können wir über Guido Adlers Bibliothek als wissenschaftsgeschichtliches Dokument wissen?" In: Guido Adlers Erbe. Restitution und Erinnerung an der Universität Wien. Hg. von Markus Stumpf, Herbert Posch und Oliver Rathkolb. Göttingen 2017 (Bibliothek im Kontext, 1), S. 65-82.
Lodes, Benedikt: „Small is beautiful. Die Fachbereichsbibliothek Musikwissenschaft". In: Menschen im Aufbruch. Universitätsbibliothek und Archiv der Universität Wien im Selbstverständnis ihrer Mitarbeiterinnen. Festschrift für Maria Seissl. Hg. von Stefan Alker-Windbichler, Claudia Feigl, Christina Köstner-Pemsel, Thomas Maisel, Wolfgang Nikolaus Rappert, Pamela Stückler, Markus Stumpf. Mit einem Vorwort von Regina Hitzenberger. Göttingen 2019, S. 187-190.
Reilly, Edward R.: The Papers of Guido Adler at the University of Georgia. A Provisional Inventory. [Athens]: [University of Georgia] 1975.
Sakabe, Yukiko: „Erich Schenk und der Fall Adler-Bibliothek". In: Musik-Wissenschaft an ihren Grenzen. Manfred Angerer zum 50. Geburtstag. Hg. von Dominik Schweiger, Michael Staudinger und Nikolaus Urbanek. Frankfurt/M. u.a. 2004, S. 383-392.
Sakabe, Yukiko: „Die Bibliothek von Guido Adler". In: Mitteilungen der Alfred-Kahr-Gesellschaft 1/2007, S. 10-13.
Staudinger, Michael: „‚Finstere Dämonen'. Zur Geschichte der Musikwissenschaft an der Universität Wien in den Jahren 1938-1945". In: Musik in Wien 1938-1945. Hg. von Carmen Ottner. Wien 2004 (Studien zu Franz Schmidt, 15), S. 239-255.
Staudinger, Michael: „Ein ‚vatermörderisches' Projekt? Zur Geschichte der Wiener Musikwissenschaft 1920-1960". In: Musik-Wissenschaft an ihren Grenzen. Manfred Angerer zum 50. Geburtstag. Hg. von Dominik Schweiger, Michael Staudinger und Nikolaus Urbanek. Frankfurt/M. u.a. 2004, S. 393-406.
Staudinger, Michael: „Musikwissenschaft an der Universität Wien 1945-1955". In: Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955. Hg. von Margarete Grandner, Gernot Heiss und Oliver Rathkolb. Innsbruck, Wien, München, Bozen 2005 (Querschnitte, 19), S. 156-173.
Stumpf, Markus: „Raub und Rückgabe der Bibliothek und des Nachlasses Guido Adlers - Anmerkungen und Aktualisierungen". In: Guido Adlers Erbe. Restitution und Erinnerung an der Universität Wien. Hg. von Markus Stumpf, Herbert Posch und Oliver Rathkolb. Göttingen 2017 (Bibliothek im Kontext, 1), S. 83-202.
Stumpf, Markus: „Kommentierte Liste der 2012/13 restituierten Bücher Guido Adlers aus dem Bestand der Universitätsbibliothek Wien". In: Guido Adlers Erbe. Restitution und Erinnerung an der Universität Wien. Hg. von Markus Stumpf, Herbert Posch und Oliver Rathkolb. Göttingen 2017 (Bibliothek im Kontext, 1), S. 257-299.
Wessely, Othmar: „Älteres Schrifttum und ältere Musikalien in der Bibliothek des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Wien". In: Studien zur Musikwissenschaft XXXIII, Tutzing 1982, S. 127-241.
Zoidl, Clemens: „Die Geschichte des Instituts für Musikwissenschaft an der Universität nach Guido Adler. Forschung - Ergebnisse - Aufgaben". In: Guido Adlers Erbe. Restitution und Erinnerung an der Universität Wien. Hg. von Markus Stumpf, Herbert Posch und Oliver Rathkolb. Göttingen 2017 (Bibliothek im Kontext, 1), S. 45-64.